Die Frontotemporale Demenz (FTD; Pick-Krankheit) ist eine eher seltene neurodegenerative Erkrankung, die durch den fortschreitenden Abbau von Nervenzellen in den Frontal- und Temporallappen des Gehirns gekennzeichnet ist. © iStock.com/Alena Butusava
Die Frontotemporale Demenz (FTD; Pick-Krankheit) ist eine eher seltene neurodegenerative Erkrankung, die durch den fortschreitenden Abbau von Nervenzellen in den Frontal- und Temporallappen des Gehirns gekennzeichnet ist. © iStock.com/Alena Butusava

Frontotemporale Demenz: eine neurodegenerative Erkrankung

Bei der frontotemporalen Demenz (FTD) handelt es sich um eine eher seltene neurodegenerative Erkrankung. Sie wurde erstmals im Jahr 1892 von dem Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben und wird daher auch als Pick-Krankheit bezeichnet. Der Begriff frontotemporale Demenz bezieht sich auf die Hirnbereiche, deren Nervenzellen durch FTD besonders in Mitleidenschaft gezogen werden: den Frontallappen (Stirnlappen) und den Temporallappen (Schläfenlappen).

Inhalt

Definition: Was ist frontotemporale Demenz?

Die Frontotemporale Demenz (auch Frontotemporale Degenerationskrankheit oder Frontotemporale neurokognitive Störung) ist eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die durch den fortschreitenden Abbau von Nervenzellen in den Frontal- und Temporallappen des Gehirns gekennzeichnet ist. Diese Bereiche des Gehirns sind unter anderem für Verhalten, Sprache, Entscheidungsfindung, soziale Interaktionen und die Kontrolle von Emotionen zuständig. FTD äußert sich daher im Allgemeinen als Verhaltens- oder Sprachstörung mit schleichendem Beginn.9

Mediziner:innen unterscheiden zwischen drei verschiedenen Ausprägungen der frontotemporalen Demenz:2

  • Morbus Pick meint FTD im engeren Sinne. Betroffene zeigen vorrangig Verhaltensauffälligkeiten und Veränderungen der Persönlichkeit.
  • Liegt eine semantische frontotemporale Demenz vor, können Patient:innen Dinge nicht mehr richtig benennen oder verstehen die Bedeutung von Begriffen nicht.
  • Handelt es sich um eine primär progressive Aphasie, sind Wortwahl und Sprachfluss beeinträchtigt. Betroffene verstehen, was sie hören oder lesen, sprechen aber grammatikalisch falsch und stockend.

Frontotemporale Demenz: Zahlen und Fakten

Die frontotemporale Demenz ist deutlich seltener als Morbus Alzheimer. Je nach Quelle macht sie etwa drei bis neun Prozent aller Demenzfälle aus4, wobei Frauen und Männer in etwa gleich häufig betroffen sind.2 Auffällig ist, dass FTD früher beginnt als die Alzheimer-Krankheit – im Schnitt sind die Patient:innen bei der Diagnose 50 bis 65 Jahre alt, manche erkranken aber auch erst im fortgeschrittenen Alter.1

Symptome: Welche Anzeichen sind typisch für frontotemporale Demenz?

Ein weiterer Unterschied zur Alzheimer-Demenz besteht in der Symptomatik: Während das erste Anzeichen für Morbus Alzheimer häufig Gedächtnisstörungen sind, beginnt eine frontotemporale Demenz mit Veränderungen der Persönlichkeit und mit Auffälligkeiten im zwischenmenschlichen Verhalten. Beeinträchtigungen des Gedächtnisses treten erst im späteren Verlauf der FTD auf. Sie sind dann für gewöhnlich auch nicht so stark ausgeprägt wie bei Morbus Alzheimer. Zusätzlich kann es in einem späten Krankheitsstadium zu fehlender Empathie, Unberechenbarkeit und Aggression kommen, was die Diagnose FTD auch für Angehörige zu einer großen emotionalen Herausforderung macht.1

Wodurch wird frontotemporale Demenz verursacht?

Die Ursachen für frontotemporale Demenz sind weitgehend unbekannt. In etwa der Hälfte der Fälle scheint es jedoch eine familiäre Häufung der Demenzerkrankung zu geben.2 Auffällig ist, dass bei diesen Personen das Protein TDP-43 vermehrt in den Nervenzellen des Gehirns zu finden ist.5

Als einer der weiteren möglichen Auslöser für FTD steht das MAPT-Gen im Verdacht, welches für die Codierung des Tau-Proteins zuständig ist. Auch Mutationen im PSEN1-Gen scheinen mit FTD im Zusammenhang zu stehen.3 Nicht-genetische Risikofaktoren für frontotemporale Demenz konnten bislang nicht ausgemacht werden.4

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Wie kann eine frontotemporale Demenz diagnostiziert werden?

Da Änderungen der Persönlichkeit und Verhaltensauffälligkeiten bei der frontotemporalen Demenz im Vordergrund stehen, wird sie häufig mit Depressionen, Burnout, Schizophrenie oder Manie verwechselt. Das Risiko für Fehldiagnosen ist also hoch. 1

Darüber hinaus wird die Diagnose dadurch erschwert, dass Betroffenen oftmals die Krankheitseinsicht fehlt und sie sich nur auf Drängen ihrer Angehörigen in ärztliche Behandlung begeben.2 In einem späteren Stadium ist FTD dann nur noch schwer von der Alzheimer-Krankheit abzugrenzen, zumal Alzheimer im späteren Krankheitsverlauf ebenfalls mit Änderungen der Persönlichkeit einhergehen kann.4

Die folgenden Diagnoseformen kommen bei Verdacht auf FTD zum Einsatz:4

  • psychologische Tests (Sprache, Gedächtnis, Denkvermögen)
  • Gespräche mit den Angehörigen zu Verhaltensauffälligkeiten
  • Untersuchung der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquorpunktion)

Spezifische Labortests zum Nachweis einer frontotemporalen Demenz existieren bislang nicht, dafür nehmen bildgebende Verfahren bei der Diagnostik eine zentrale Funktion ein. Beispielsweise können CT- und MRT-Aufnahmen eine Schrumpfung (Atrophie) der Stirn- und Schläfenlappen zeigen, was ein deutlicher Hinweis auf frontotemporale Demenz ist. Mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET) kann indes die Stoffwechselaktivität des Gehirns sichtbar gemacht werden. Hier ist häufig bereits im Frühstadium ein reduzierter Zuckerverbrauch der Nervenzellen im Stirn- und Schläfenlappen auffällig. Sind Blutsverwandte ebenfalls von FTD betroffen, können mitunter auch Gentests sinnvoll sein.4

Gibt es Therapiemöglichkeiten bei frontotemporaler Demenz?

Gezielte Therapiemöglichkeiten bei frontotemporaler Demenz gibt es bislang nicht – lediglich die Symptome können ein wenig gelindert werden. Bewährt haben sich beispielsweise serotonerge Antidepressiva. Diese steigern den Antrieb und können allgemein zu mehr Ausgeglichenheit führen.1, 4 Bei intensiver Unruhe oder Aggression werden häufig beruhigende Neuroleptika verordnet. Medikamente, die bei Morbus Alzheimer zum Einsatz kommen, wirken bei frontotemporaler Demenz hingegen nicht.4

Darüber hinaus kann versucht werden, die Symptome durch nicht-medikamentöse Ansätze zu lindern. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der oder die Betroffene bereit ist, mitzuarbeiten. Um einem Rückzug entgegenzuwirken, empfiehlt sich Aktivitätstraining, während Kreativ- und/oder Bewegungstherapien zu mehr innerer Ruhe führen können. Anpassungen des häuslichen Umfelds an die veränderten Bedürfnisse können den Alltag erleichtern und so lange wie möglich ein selbstständiges Leben ermöglichen.4

Forschung und Innovationen im Bereich FTD

Wissenschaftler:innen betreiben intensiv Ursachenforschung. Basierend auf der Vermutung, dass ein Zusammenhang mit dem Protein TDP-43 besteht, könnte eine entsprechende Antikörpertherapie ein vielversprechender Ansatz sein: Forscher:innen entwickeln spezifische Antikörper, die gezielt pathologische Formen des Proteins TDP-43 erkennen und seine toxischen Effekte reduzieren. Der Krankheitsverlauf kann so womöglich verlangsamt oder gestoppt werden – rückgängig machen lässt er sich jedoch nicht.5

Aktuelle Forschungen im Bereich Frontotemporale Demenz konzentrieren sich auch auf neue Therapieansätze, präzise Biomarker und innovative Diagnostikmethoden.
Das FRONTAL-Projekt entwickelt ein neuartiges Therapeutikum zur Behandlung von FTD mit fehlgefalteter Tau-Protein-Aggregation, wobei autophagie-modulierende Moleküle und spezifische Biomarker wie Protein- und S-Nitrosylierungs-Profile untersucht werden, um klinische Studien vorzubereiten. 10

Parallel dazu arbeiten Wissenschaftler:innen an der Identifizierung proteomischer Biomarker, die den Beginn klinischer Symptome bei genetisch bedingter FTD vorhersagen können, indem sie hochspezifische Technologien wie die Massenspektrometrie nutzen. Bei der Massenspektrometrie (auch Multiple Reaction Monitoring oder MRM) handelt es sich um ein wissenschaftliches Verfahren, mit dem man die Bausteine von Substanzen, wie Proteine oder Peptide, genau untersuchen kann. Einfach gesagt, hilft es, Moleküle zu erkennen und zu messen, indem es sie nach ihrem Gewicht und ihrer Ladung sortiert und so bei der Suche nach Biomarkern unterstützt.11

Eine weitere Innovation stammt vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), das KI-gestützte Sprachtests entwickelt, um minimale sprachliche Veränderungen als Frühindikatoren für FTD zu identifizieren. Diese Tests sollen eine schnelle und einfache Diagnostik ermöglichen, die perspektivisch auch per Telefon erfolgen könnte. Zudem liefern sie Einblicke in das Fortschreiten der Krankheit.

Diese Forschungen und Fortschritte haben das Potenzial, die Behandlung und Diagnostik von FTD deutlich zu verbessern und den Zugang zu medizinischer Versorgung zu erleichtern.12

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Quellen:

  1. https://www.deutsche-alzheimer.de/demenz-wissen/frontotemporale-demenz
  2. https://www.alzheimer-schweiz.ch/de/ueber-demenz/beitrag/frontotemporale-demenz/
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Pick-Krankheit
  4. https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt11_frontotemporale_demenz.pdf
  5. https://www.alzheimer-forschung.de/forschung/forschungsprojekte/projektdatenbank/projekt/molekulare-unterschiede-des-proteins-tdp-43-bei-der-frontotemporalen-demenz/
  6. https://www.alzheimer-forschung.de/demenz/frontotemporale-demenz/
  7. https://www.theaftd.org/de/what-is-ftd/ftd-and-als-ftd-als/
  8. https://www.wegweiser-demenz.de/wwd/alltag-und-pflege/beratung/selbsthilfegruppen
  9. https://en.wikipedia.org/wiki/Frontotemporal_dementia
  10. https://www.kooperation-international.de/laender/europa/vereinigtes-koenigreich-grossbritannien/projekte-vereinigtes-koenigreich/detail-laendereinstiegsseite/info/verbundprojekt-eine-neue-krankheitsmodifizierende-behandlung-mit-kleinen-molekuelen-zur-modulation-der-autophagie-bei-frontotemporaler-demenz-ftd-teilprojekt-entwicklung-neuer-biomarker-zur-patientenstratifizierung-und-ueberwachung-eines-behandlungserfolges-mit-sam001-bei-frontotemporaler-demenz-ftd
  11. https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/rekrutierung-von-genetischen-ftd-patienten-und-untersuchung-proteomischer-biomarker-12116.php
  12. https://idw-online.de/de/news802966

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