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Definition: Was ist frontotemporale Demenz?
Die Frontotemporale Demenz (auch Frontotemporale Degenerationskrankheit oder Frontotemporale neurokognitive Störung) ist eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die durch den fortschreitenden Abbau von Nervenzellen in den Frontal- und Temporallappen des Gehirns gekennzeichnet ist. Diese Bereiche des Gehirns sind unter anderem für Verhalten, Sprache, Entscheidungsfindung, soziale Interaktionen und die Kontrolle von Emotionen zuständig. FTD äußert sich daher im Allgemeinen als Verhaltens- oder Sprachstörung mit schleichendem Beginn.9
Mediziner:innen unterscheiden zwischen drei verschiedenen Ausprägungen der frontotemporalen Demenz:2
- Morbus Pick meint FTD im engeren Sinne. Betroffene zeigen vorrangig Verhaltensauffälligkeiten und Veränderungen der Persönlichkeit.
- Liegt eine semantische frontotemporale Demenz vor, können Patient:innen Dinge nicht mehr richtig benennen oder verstehen die Bedeutung von Begriffen nicht.
- Handelt es sich um eine primär progressive Aphasie, sind Wortwahl und Sprachfluss beeinträchtigt. Betroffene verstehen, was sie hören oder lesen, sprechen aber grammatikalisch falsch und stockend.
Frontotemporale Demenz: Zahlen und Fakten
Die frontotemporale Demenz ist deutlich seltener als Morbus Alzheimer. Je nach Quelle macht sie etwa drei bis neun Prozent aller Demenzfälle aus4, wobei Frauen und Männer in etwa gleich häufig betroffen sind.2 Auffällig ist, dass FTD früher beginnt als die Alzheimer-Krankheit – im Schnitt sind die Patient:innen bei der Diagnose 50 bis 65 Jahre alt, manche erkranken aber auch erst im fortgeschrittenen Alter.1
Symptome: Welche Anzeichen sind typisch für frontotemporale Demenz?
Ein weiterer Unterschied zur Alzheimer-Demenz besteht in der Symptomatik: Während das erste Anzeichen für Morbus Alzheimer häufig Gedächtnisstörungen sind, beginnt eine frontotemporale Demenz mit Veränderungen der Persönlichkeit und mit Auffälligkeiten im zwischenmenschlichen Verhalten. Beeinträchtigungen des Gedächtnisses treten erst im späteren Verlauf der FTD auf. Sie sind dann für gewöhnlich auch nicht so stark ausgeprägt wie bei Morbus Alzheimer. Zusätzlich kann es in einem späten Krankheitsstadium zu fehlender Empathie, Unberechenbarkeit und Aggression kommen, was die Diagnose FTD auch für Angehörige zu einer großen emotionalen Herausforderung macht.1
Wodurch wird frontotemporale Demenz verursacht?
Die Ursachen für frontotemporale Demenz sind weitgehend unbekannt. In etwa der Hälfte der Fälle scheint es jedoch eine familiäre Häufung der Demenzerkrankung zu geben.2 Auffällig ist, dass bei diesen Personen das Protein TDP-43 vermehrt in den Nervenzellen des Gehirns zu finden ist.5
Als einer der weiteren möglichen Auslöser für FTD steht das MAPT-Gen im Verdacht, welches für die Codierung des Tau-Proteins zuständig ist. Auch Mutationen im PSEN1-Gen scheinen mit FTD im Zusammenhang zu stehen.3 Nicht-genetische Risikofaktoren für frontotemporale Demenz konnten bislang nicht ausgemacht werden.4
Aktuelle News zum Thema Demenz
Alzheimer, Krebs und Co.: So könnte sich die Behandlung 2025 verbessern
„Auch im Jahr 2025 könnten wieder mehr als 40 neue Medikamente gegen unterschiedliche Krankheiten in Deutschland auf den Markt kommen“, prognostiziert der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) – darunter sind womöglich innovative Antikörper gegen Morbus Alzheimer oder personalisierte Therapien gegen Krebsleiden.
Arzneimittel gegen Alzheimer: Kommt jetzt der Durchbruch?
Arzneimittelforschung im Bereich der Alzheimer-Krankheit – das ist nichts für schwache Nerven: Mehr als 20 Jahre lang gab es in dieser Indikation trotz intensiver Anstrengungen keine Neuzulassung. Doch das scheint sich jetzt zu ändern – bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA stehen zwei Antikörper auf der Agenda. Sind sie für Menschen mit frühem Alzheimer ein Hoffnungsträger? Ein Interview mit Jörg Schaub. Er leitet beim forschenden Arzneimittelunternehmen Lilly Deutschland die Geschäftseinheit Neuroscience.
Pharmaforschung: Unmögliches möglich machen
Wirkstoffe gegen die Alzheimer-Erkrankung zu entwickeln – daran haben forschende Pharmaunternehmen wenig Interesse. Klar, das finanzielle Risiko ist schlicht zu hoch. So lautet einer dieser Mythen, die sich wacker halten, aber einem Faktencheck nicht standhalten. Denn das Geschäftsmodell der Industrie ermöglicht es, dass in Wirkstoffkandidaten investiert wird, die Milliardensummen verschlingen, bei denen die Chance des Scheiterns bisher fast 100 Prozent ist.
Wie kann eine frontotemporale Demenz diagnostiziert werden?
Da Änderungen der Persönlichkeit und Verhaltensauffälligkeiten bei der frontotemporalen Demenz im Vordergrund stehen, wird sie häufig mit Depressionen, Burnout, Schizophrenie oder Manie verwechselt. Das Risiko für Fehldiagnosen ist also hoch. 1
Darüber hinaus wird die Diagnose dadurch erschwert, dass Betroffenen oftmals die Krankheitseinsicht fehlt und sie sich nur auf Drängen ihrer Angehörigen in ärztliche Behandlung begeben.2 In einem späteren Stadium ist FTD dann nur noch schwer von der Alzheimer-Krankheit abzugrenzen, zumal Alzheimer im späteren Krankheitsverlauf ebenfalls mit Änderungen der Persönlichkeit einhergehen kann.4
Die folgenden Diagnoseformen kommen bei Verdacht auf FTD zum Einsatz:4
- psychologische Tests (Sprache, Gedächtnis, Denkvermögen)
- Gespräche mit den Angehörigen zu Verhaltensauffälligkeiten
- Untersuchung der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquorpunktion)
Spezifische Labortests zum Nachweis einer frontotemporalen Demenz existieren bislang nicht, dafür nehmen bildgebende Verfahren bei der Diagnostik eine zentrale Funktion ein. Beispielsweise können CT- und MRT-Aufnahmen eine Schrumpfung (Atrophie) der Stirn- und Schläfenlappen zeigen, was ein deutlicher Hinweis auf frontotemporale Demenz ist. Mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET) kann indes die Stoffwechselaktivität des Gehirns sichtbar gemacht werden. Hier ist häufig bereits im Frühstadium ein reduzierter Zuckerverbrauch der Nervenzellen im Stirn- und Schläfenlappen auffällig. Sind Blutsverwandte ebenfalls von FTD betroffen, können mitunter auch Gentests sinnvoll sein.4
Gibt es Therapiemöglichkeiten bei frontotemporaler Demenz?
Gezielte Therapiemöglichkeiten bei frontotemporaler Demenz gibt es bislang nicht – lediglich die Symptome können ein wenig gelindert werden. Bewährt haben sich beispielsweise serotonerge Antidepressiva. Diese steigern den Antrieb und können allgemein zu mehr Ausgeglichenheit führen.1, 4 Bei intensiver Unruhe oder Aggression werden häufig beruhigende Neuroleptika verordnet. Medikamente, die bei Morbus Alzheimer zum Einsatz kommen, wirken bei frontotemporaler Demenz hingegen nicht.4
Darüber hinaus kann versucht werden, die Symptome durch nicht-medikamentöse Ansätze zu lindern. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der oder die Betroffene bereit ist, mitzuarbeiten. Um einem Rückzug entgegenzuwirken, empfiehlt sich Aktivitätstraining, während Kreativ- und/oder Bewegungstherapien zu mehr innerer Ruhe führen können. Anpassungen des häuslichen Umfelds an die veränderten Bedürfnisse können den Alltag erleichtern und so lange wie möglich ein selbstständiges Leben ermöglichen.4
Forschung und Innovationen im Bereich FTD
Wissenschaftler:innen betreiben intensiv Ursachenforschung. Basierend auf der Vermutung, dass ein Zusammenhang mit dem Protein TDP-43 besteht, könnte eine entsprechende Antikörpertherapie ein vielversprechender Ansatz sein: Forscher:innen entwickeln spezifische Antikörper, die gezielt pathologische Formen des Proteins TDP-43 erkennen und seine toxischen Effekte reduzieren. Der Krankheitsverlauf kann so womöglich verlangsamt oder gestoppt werden – rückgängig machen lässt er sich jedoch nicht.5
Aktuelle Forschungen im Bereich Frontotemporale Demenz konzentrieren sich auch auf neue Therapieansätze, präzise Biomarker und innovative Diagnostikmethoden.
Das FRONTAL-Projekt entwickelt ein neuartiges Therapeutikum zur Behandlung von FTD mit fehlgefalteter Tau-Protein-Aggregation, wobei autophagie-modulierende Moleküle und spezifische Biomarker wie Protein- und S-Nitrosylierungs-Profile untersucht werden, um klinische Studien vorzubereiten. 10
Parallel dazu arbeiten Wissenschaftler:innen an der Identifizierung proteomischer Biomarker, die den Beginn klinischer Symptome bei genetisch bedingter FTD vorhersagen können, indem sie hochspezifische Technologien wie die Massenspektrometrie nutzen. Bei der Massenspektrometrie (auch Multiple Reaction Monitoring oder MRM) handelt es sich um ein wissenschaftliches Verfahren, mit dem man die Bausteine von Substanzen, wie Proteine oder Peptide, genau untersuchen kann. Einfach gesagt, hilft es, Moleküle zu erkennen und zu messen, indem es sie nach ihrem Gewicht und ihrer Ladung sortiert und so bei der Suche nach Biomarkern unterstützt.11
Eine weitere Innovation stammt vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), das KI-gestützte Sprachtests entwickelt, um minimale sprachliche Veränderungen als Frühindikatoren für FTD zu identifizieren. Diese Tests sollen eine schnelle und einfache Diagnostik ermöglichen, die perspektivisch auch per Telefon erfolgen könnte. Zudem liefern sie Einblicke in das Fortschreiten der Krankheit.
Diese Forschungen und Fortschritte haben das Potenzial, die Behandlung und Diagnostik von FTD deutlich zu verbessern und den Zugang zu medizinischer Versorgung zu erleichtern.12
Weitere Hintergrundinfos zum Thema Demenz
Demenzformen: Arten von Demenz in der Übersicht
Bei Demenz denken viele Menschen sofort an die Alzheimer-Krankheit – dabei ist diese nur eine von über 50 Demenzerkrankungen. Es handelt sich somit um ein sehr vielfältiges Krankheitsbild, das verschiedene Ursachen haben und mit unterschiedlichsten Symptomen einhergehen kann.
Demenz und körperlicher Abbau: Körperliche Symptome
Demenz wird vor allem mit kognitiven Beeinträchtigungen und einem Verlust des Gedächtnisses assoziiert, doch auch die körperlichen Symptome sind mitunter sehr tiefgreifend. Sie treten vorrangig im späteren Verlauf einer Demenzerkrankung auf und stellen für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine zusätzliche Herausforderung dar.
Was ist Alzheimer? Einer Demenzart auf der Spur
Alzheimer-Demenz (lat. Fachbegriff: Morbus Alzheimer) ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung – also eine Erkrankung, die mit dem Abbau von Nervenzellen im Gehirn einhergeht. Fälschlicherweise wird Morbus Alzheimer häufig mit Demenz gleichgesetzt, dabei gilt: Demenz ist der Überbegriff für über 50 hirnorganische Erkrankungen. Alzheimer-Demenz ist nur eine davon.
Quellen:
- https://www.deutsche-alzheimer.de/demenz-wissen/frontotemporale-demenz
- https://www.alzheimer-schweiz.ch/de/ueber-demenz/beitrag/frontotemporale-demenz/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Pick-Krankheit
- https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt11_frontotemporale_demenz.pdf
- https://www.alzheimer-forschung.de/forschung/forschungsprojekte/projektdatenbank/projekt/molekulare-unterschiede-des-proteins-tdp-43-bei-der-frontotemporalen-demenz/
- https://www.alzheimer-forschung.de/demenz/frontotemporale-demenz/
- https://www.theaftd.org/de/what-is-ftd/ftd-and-als-ftd-als/
- https://www.wegweiser-demenz.de/wwd/alltag-und-pflege/beratung/selbsthilfegruppen
- https://en.wikipedia.org/wiki/Frontotemporal_dementia
- https://www.kooperation-international.de/laender/europa/vereinigtes-koenigreich-grossbritannien/projekte-vereinigtes-koenigreich/detail-laendereinstiegsseite/info/verbundprojekt-eine-neue-krankheitsmodifizierende-behandlung-mit-kleinen-molekuelen-zur-modulation-der-autophagie-bei-frontotemporaler-demenz-ftd-teilprojekt-entwicklung-neuer-biomarker-zur-patientenstratifizierung-und-ueberwachung-eines-behandlungserfolges-mit-sam001-bei-frontotemporaler-demenz-ftd
- https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/rekrutierung-von-genetischen-ftd-patienten-und-untersuchung-proteomischer-biomarker-12116.php
- https://idw-online.de/de/news802966