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Künstliche Intelligenz in der Medizin: Was bisher geschah
Künstliche Intelligenz (KI) ist schwer zu definieren – schon allein, weil es verschiedene Definitionen von Intelligenz gibt. Im Grunde lässt sie sich als ein Sammelbegriff für Systeme und Programme verstehen, die in der Lage sind, die kognitiven Fähigkeiten des Menschen zu simulieren. Sie können riesige Datenmengen analysieren, Muster erkennen und daraus Schlussfolgerungen ziehen, und zwar schneller und exakter, als der Mensch es jemals könnte.4
Die Geschichte der KI im medizinischen Kontext reicht mehrere Jahrzehnte zurück und ist eng mit der Entwicklung von Computertechnologien im Allgemeinen verbunden. Bereits in den 1970er Jahren kam das an der Universität von Stanford entwickelte KI-System Mycin zum Einsatz, welches Ärzt:innen dabei half, Bakterien zu identifizieren, die schwere Infektionen verursachen können. Zwar führte Mycin nur einfache regelbasierte Analysen durch, dennoch legte das System gemeinsam mit anderen frühen KI-Anwendungen den Grundstein für die KI-Innovationen der modernen Medizin.6
In den 1990er und 2000er Jahren, als die Rechner immer leistungsstärker wurden, wurde KI zunehmend für die Analyse von Patientendaten genutzt, etwa von bildgebenden Verfahren oder auch von genetischen Informationen. Ab 2010 wurde schließlich die automatische Mustererkennung in großen Datenmengen durch sogenannte Deep-Learning-Technologien revolutioniert, was insbesondere in der Radiologie, der Pathologie und der personalisierten Medizin zu Umwälzungen führte.6
Künstliche Intelligenz in der medizinischen Diagnostik: Beispiele
Bis heute hat sich viel getan. KI-Systeme unterstützen Ärzt:innen inzwischen in vielen Bereichen der Diagnostik – manchmal sogar mit erstaunlicher Präzision. Sie helfen, Muster zu erkennen, Auswertungen zu beschleunigen und die Diagnosesicherheit zu erhöhen. Inzwischen gibt es zahlreiche beeindruckende Anwendungsbeispiele für künstliche Intelligenz in der Medizin. In der Pharmaforschung hat sich das automatisierte Hochdurchsatz-Screening als Methode etabliert. Künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, dieses Verfahren noch effizienter zu machen.
Ein besonders innovativer Ansatz stammt aus der Wirkstoffforschung: Der Forschungsroboter „Eve“, entwickelt von britischen Wissenschaftler:innen der Universität Cambridge, kombiniert maschinelles Lernen mit experimentellen Testverfahren. Eve formuliert Hypothesen, testet sie und verbessert kontinuierlich ihre Vorhersagen. 2018 identifizierte das System beispielsweise den in Zahnpasta enthaltenen Stoff Triclosan als potenzielles Mittel gegen Malaria – ein überraschender Befund, der möglicherweise zur Entwicklung eines neuen Medikaments führen könnte.3
Auch in der personalisierten Medizin kommt KI zunehmend zum Einsatz: Sie hilft, individuelle Behandlungspläne auf Basis genetischer und biologischer Parameter zu erstellen. So analysierte das KI-System IBM Watson 2016 in Japan die DNA einer Patientin und glich sie mit 20 Millionen Krebsstudien ab – innerhalb von nur zehn Minuten. Dabei entdeckte sie eine seltene, aber heilbare Form der Leukämie, die zuvor von Ärzt:innen übersehen wurde.3
Aktuelle News aus der Pharmaforschung

Brustkrebs: „Es gibt viele Leben zu retten!“
„Innovative Therapien bei Brustkrebs: Da geht die Post ab“, weiß Gynäkologin Prof. Dr. Nadia Harbeck. Was eine gute Nachricht ist, stellt gleichzeitig eine große Herausforderung dar: für medizinische Fachkräfte, die den Überblick angesichts dieser Wissensexplosion behalten wollen; für die Versorgungsstrukturen, die nicht ausreichend auf neue Behandlungskonzepte eingestellt sind. Es muss sich etwas ändern – sonst sind die Patient:innen die Leidtragenden.

Klinische Studien: Koordinator:innen dringend gesucht
Klinische Studien sind ein Motor für medizinischen Fortschritt – hier entscheidet sich, ob aus einer Idee zur Behandlung einer Krankheit ein zugelassenes Arzneimittel wird, das wirksam und sicher ist. Die Komplexität solcher Medikamentenstudien hat über die Jahre stark zugenommen. Entscheidend für den Erfolg einer Studie sind deshalb die Studienkoordinator:innen oder Study Nurses. Doch es herrscht Mangel an Fachkräften – und das könnte den medizinischen Fortschritt einbremsen. Ein Interview mit Gesa Voß, Studienkoordinatorin für Klinische Studien am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH).

„Das Vertrauen in das Gesundheitssystem ist rückläufig“
16.000 befragte Menschen in 16 Ländern, davon 1.000 in Deutschland: Die Kommunikationsagentur Edelman hat untersucht, wie es um das Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem bestellt ist. Die Ergebnisse sind ein Weckruf. Ein Interview mit Karl Stubbe, Head of Health bei Edelman Deutschland.
Auch weitere Anwendungsbeispiele verdeutlichen das Potenzial der KI-Technologie:3
- Onkologie: Erkennung von Hautkrebs auf dermatoskopischen Bildern; Auswertung von Bildern aus Brustkrebs-Screenings
- Neurologie: frühzeitige Diagnostizierung von Alzheimer anhand von Gehirn-Scans
- Pneumologie: Diagnostizierung von COPD, Lungenentzündungen oder Tuberkulose anhand von CT-Aufnahmen
- Augenheilkunde: Erkennen von Erkrankungen der Netzhaut; Berechnung der idealen Linsenstärke vor einer Grauer-Star-OP
- Kardiologie: Auswertung von Langzeit-EKGs und schnelle Identifizierung von Herz-Rhythmus-Störungen
- Genetik: Diagnose seltener genetisch bedingter Krankheiten
Aber wo liegen die Grenzen? Trotz aller Möglichkeiten ersetzt künstliche Intelligenz keine menschliche Ärztin und keinen menschlichen Arzt. Sie kann unterstützen – aber nicht alles allein machen. Warum das so ist, zeigen diese Herausforderungen:
- Abhängigkeit von Umfang und Qualität der Daten: Fehlinterpretationen sind möglich.
- Mangelnde Kontextualisierung: Ärzt:innen nutzen nicht nur Daten, sondern berücksichtigen weitere Faktoren, die für die Diagnose wichtig sein könnten (zum Beispiel die individuelle Krankheitsgeschichte).
- Mangel an Kreativität: KI erkennt hervorragend Muster in Daten, doch es fehlt ihr an intuitivem und kreativem Denken, das Ärzt:innen oft nutzen, um ungewöhnliche oder komplexe Fälle zu lösen.
Es gilt also: KI kann Ärzt:innen bei der Diagnostik entlasten und ihnen neue Werkzeuge an die Hand geben – am Ende bleibt (zurecht) der Mensch als Entscheider und Verantwortungsträger jedoch unverzichtbar.7
KI in der Therapie: präziser behandeln, besser entlasten
KI revolutioniert die Therapie in vielerlei Hinsicht, indem sie präzise und individualisierte Behandlungsansätze ermöglichen kann. KI-Systeme sind technisch in der Lage, umfangreiche Datenmengen zu analysieren, von Laborwerten bis hin zu elektronischen Patientenakten, und auf dieser Grundlage individuelle Krankheitsprofile und Therapiepläne zu erstellen. Durch maschinelles Lernen kann KI zudem Vorhersagen dazu treffen, welche Therapie den größten Erfolg verspricht, und Ärzt:innen so die Entscheidungsfindung erleichtern. Darüber hinaus bieten sich für die künstliche Intelligenz unter anderem folgende Potenziale in der Therapie:
- Robotergestützte Chirurgie und Operationsassistenz – mit Auswertung von Echtzeit-Sensordaten und integrierter Bildgebung.
- Künstliche Intelligenz kann die Arzneimittelforschung effizienter machen: Sie durchforstet chemische Datenbanken und simuliert Interaktionen zwischen Molekülen, um potenzielle Wirkstoffe zu identifizieren.
- Echtzeit-Datenanalyse durch Sensoren und tragbare Geräte (Wearables) und Anpassung der Therapie an individuelle Reaktionen.2, 3
Des Weiteren wird die KI medizinisches Fachpersonal künftig auf vielfältige Weise entlasten und die Arbeitsbedingungen verbessern können – zum Beispiel durch die Automatisierung von Verwaltungsaufgaben, die Überwachung von Vitaldaten der Patient:innen oder auch mithilfe von humanoiden Robotern, die körperlich belastende Tätigkeiten wie das Heben von pflegebedürftigen Personen übernehmen.1, 5
KI in der Prävention: Künstliche Intelligenz als Frühwarnsystem
KI in der Medizin: Blick in die Zukunft
Die Zukunftsperspektiven von Künstlicher Intelligenz in der Medizin sind vielversprechend – und reichen weit über aktuelle Einsatzbereiche hinaus. Mit der kontinuierlichen Verbesserung von Algorithmen und der Verfügbarkeit riesiger medizinischer Datenmengen eröffnet KI neue Dimensionen in der Patientenversorgung: präziser, zugänglicher und individueller als je zuvor.
In der Chirurgie könnten KI-Assistenzsysteme künftig noch präzisere Eingriffe ermöglichen und potenzielle Komplikationen bereits im Vorfeld erkennen. Auch die Telemedizin wird durch KI einen gewaltigen Entwicklungssprung machen: Diagnosetools könnten in abgelegene Regionen gebracht werden und dort eine qualitativ hochwertige medizinische Erstversorgung sicherstellen.
Wie im vorherigen Absatz schon klar wurde, zeichnet sich ein weiterer großer Fortschritt in der Prävention ab. KI kann nicht nur bestehende Risiken frühzeitig erkennen, sondern auch personalisierte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung vorschlagen – abgestimmt auf individuelle Lebensweise, genetische Veranlagungen und kontinuierlich erfasste Vitaldaten. So entsteht eine proaktive Medizin, die Krankheiten nicht nur behandelt, sondern verhindert.
Darüber hinaus zeigt sich, dass KI entscheidend zur Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen beitragen kann – etwa durch automatisierte Dokumentation, intelligente Ressourcenplanung oder Unterstützung bei klinischen Entscheidungen.8, 9
Vor- und Nachteile von KI in der Medizin
Wie so vieles im Leben gilt: KI in der Medizin ist sowohl mit Chancen als auch mit Risiken verbunden.1, 4
Chancen
KI kann …
- in unterversorgten Regionen dazu beitragen, die medizinische Versorgung schneller und effizienter zu gestalten.
- den Zugang zur Gesundheitsversorgung auf globaler Ebene verbessern.
- eine individuellere und präzisere Behandlung von Patient:innen gewährleisten.
- zuverlässige Vorhersagen zu Krankheitsverläufen treffen.
- bei der Entwicklung neuer Therapien und Medikamente helfen.
Risiken
Aber KI kann auch …
- durch unsachgemäße Nutzung oder Speicherung von Daten zu Datenschutzverletzungen führen.
- Ergebnisse liefern, die für Ärzt:innen nicht vollständig nachvollziehbar sind (Mangelnde Erklärbarkeit).
- zur Abhängigkeit und einem möglichen Kompetenzverlust führen, wenn sich Ärzt:innen zu sehr auf künstliche Intelligenz verlassen.
- ethische Fragen aufwerfen, etwa wer bei Diagnosen das letzte Wort hat – Mensch oder Maschine – und wer die Verantwortung bei Fehlern trägt.
Medizin im Wandel – KI als Schlüsseltechnologie der Zukunft
Künstliche Intelligenz verändert die Medizin grundlegend – von der frühzeitigen Diagnostik über präzise Therapieentscheidungen bis hin zur personalisierten Prävention. Sie kann Ärzt:innen bei der Analyse komplexer Datenmengen unterstützen und Patient:innen neue Chancen auf eine individuell zugeschnittene Versorgung eröffnen.
Dabei geht es nicht darum, den Menschen zu ersetzen – sondern ihn zu stärken: durch intelligente Systeme, die Wissen bündeln, Prozesse beschleunigen und neue medizinische Möglichkeiten erschließen. Die Kombination aus menschlicher Erfahrung und maschineller Intelligenz verspricht nicht nur mehr Effizienz im Gesundheitswesen, sondern auch mehr Sicherheit, Qualität und Zugang zu medizinischer Versorgung – weltweit. Klar ist: Künstliche Intelligenz ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein Meilenstein medizinischer Forschung.
Doch all diese Fortschritte bleiben reine Theorie, wenn es nicht gelingt, die täglich anfallenden Gesundheitsdaten aus verschiedensten Quellen sinnvoll zu bündeln, zu strukturieren und für KI-Anwendungen nutzbar zu machen.
Weitere Meilensteine der Medizin

Stammzellforschung im Wandel: Von der Entdeckung zur Hoffnung für Millionen
Medizinische Innovationen eröffnen neue Perspektiven im Kampf gegen Krankheiten und ermöglichen es, Leben zu retten und zu verbessern. Die Erforschung der Stammzellen verkörpert diesen Innovationsgeist in besonderer Weise. Doch was ist Stammzellforschung eigentlich, warum sind Stammzellen so besonders und mit welchen ethischen Herausforderungen sieht sich die moderne Stammzellforschung konfrontiert?

Künstliche Intelligenz in der Medizin: Diagnose, Therapie, Prävention
Technologische Innovationen durchdringen sämtliche Lebensbereiche, so auch die Welt der Medizin. Künstliche Intelligenz (KI) fungiert dabei als Schlüsselelement. Sie revolutioniert die traditionellen Ansätze in Diagnose, Therapie und Prävention, indem sie Prozesse präziser, effizienter und individueller gestalten kann. Dadurch können Fehlerquellen reduziert, Fachkräfte entlastet und Patient:innen gezielter und effektiver behandelt werden.

Die Geschichte der Anästhesie
„Ich habe heute etwas gesehen, das um die Welt gehen wird.“ – Diese Bemerkung des Chirurgen Henry Jacob Bigelow im Anschluss an die erste öffentliche Demonstration einer Äther-Narkose sollte sich bewahrheiten: Das Jahr 1846 gilt heute als Geburtsjahr der modernen Anästhesie. Doch wie liefen Operationen vorher ab, mit welchen Mitteln versuchten Mediziner:innen, den Schmerz ihrer Patient:innen zu lindern, und wie hat sich die Anästhesie seit dem Jahr 1846 weiterentwickelt?
Quellen:
- https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/digitalisierung/ki-in-der-medizin
- https://www.iks.fraunhofer.de/de/themen/kuenstliche-intelligenz/kuenstliche-intelligenz-medizin.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstliche_Intelligenz_in_der_Medizin
- https://www.medi-karriere.de/magazin/ki-in-der-medizin/
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/wie-ki-pflegekraefte-entlasten-koennte-145280/
- https://julienflorkin.com/de/Gesch%C3%A4ft/Gesundheitswesen/KI-in-der-Medizin/#historical-development-of-ai-in-medicine
- https://das-wissen.de/kuenstliche-intelligenz-in-der-diagnostik-moeglichkeiten-und-grenzen/
- https://www.itportal24.de/ratgeber/ki-in-der-medizin
- https://www.iks.fraunhofer.de/de/themen/kuenstliche-intelligenz/kuenstliche-intelligenz-medizin.html